5ZYL_Marco:“Mehr Drehmoment=Bessere Beschleunigung.“ Bitte nicht verallgemeinern!

Marco Degenhard aus Dortmund gewann in der Autowelt erste Bekanntheit durch „Herr Degenhardt´s Autos“ sowie „OK-Chiptuning“ und ist auch nun auf den gängigen Social Media Kanälen vertreten. Gerne lasse auch ich mich ab und an von seinen Autokommentaren berieseln oder lerne auch mal was Neues dazu. Was ich aber eher weniger mag, sind falsche Aussagen bzgl. der Autotechnik. Damit meine ich nicht die werblichen Aussagen- schließlich ist heutzutage gefühlt jedes Influencer-Video als Werbung gekennzeichnet – sondern physikalisch falsche Aussagen.

Der liebe Marco Degenhardt aka „5ZYL-Marco“ zählt bei YouTube (Stand April 2020) mehr als 220.000 Abonennten, die er regelmäßig an seinen Auto-Projekten teilhaben lässt. Insgesamt wurden seine Videos bisher mehr als 38 Mio. mal abgerufen, womit er in meinen Augen zu den wertvollsten KFZ-Influencern Deutschlands gehört. Außerdem finde ich es klasse, dass er ein kostenfreies Automuseum führt somit auch der PlayStation-Generation die Automobilkultur näher bringt – ganz nebenbei könnt ihr hier spenden damit es uns lange erhalten bleibt.

Was ist denn nun das Problem?

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass er in seinem YouTube-Video erzählt, dass ein Auto mit gleicher Leistung, aber mehr Drehmoment besser beschleunigt, als eines mit weniger Drehmoment. Als Beispiel nennt er die Autos Audi 80 und das Fiat Coupé. Beide sollen laut Werksangaben ca. 130 PS leisten. Der Audi hat jedoch mehr Drehmoment (ca. 190 Nm) und erreicht somit logischerweise früher (bei ca. 5.000 U/min (Werksangabe müsste ca. 5.500 U/min sein)) die maximale Leistung. Das Fiat Coupé hat einen deutlich kleineren Motor und somit auch weniger Drehmoment (ca. 164 Nm). Dementsprechend erreicht der Motor seine maximale Leistung erst bei ca. 6.300 U/min. Durch eine ähnliche Übersetzung des Getriebes, fahren beide Autos im gleichen Gang in etwa gleich schnell bei gleicher Motordrehzahl. Dadurch dass man den Audi nicht so hoch drehen kann, muss man früher schalten und wird somit den Drehmomentvorteil nicht so lange nutzen können. Sobald man also im Audi schaltet, kann der Fiat im niedrigeren Gang weiterdrehen und egalisiert somit das geringere Drehmoment (daher macht hier der Vergleich der PS Sinn).

Genau in diesem Vergleich hat er recht, aber auch nur, weil beide Autos ein ähnlich lang übersetztes Getriebe haben. Das bedeutet, dass sie bei gleicher Geschwindigkeit in etwa bei gleicher Drehzahl fahren, wenn der gleiche Gang eingelegt ist. Die Aussage, dass ein Auto mit mehr Drehmoment schneller beschleunigt, kann aber nicht so pauschal getätigt werden. Wenn das Auto, das weniger Drehmoment hat, gleichzeitig mit einem kürzer übersetzten Getriebe fährt, werden beide Autos in etwa gleich schnell, sofern sie über die gleiche Leistung verfügen – selbst, wenn sie in einem höheren Gang aus tieferer Drehzahl beschleunigen. Zusätzlich muss gesagt werden, dass für die Beschleunigung mehrere unterschiedliche Faktoren abhängig von der Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Bis Tempo 100/120 ist das Gewicht sehr wichtig, anschließend die Leistung und ab ca. 200 – 250 (und drüber) spielt die Aerodynamik (Stirnfläche, cw-Wert) in Kombination mit der Leistung die tragende Rolle.

Dafür kann ich gerne ein Beispiel mit den folgenden 2 Autos erstellen:

Vergleich Civic Type R und VW Golf GTI

  • VW Golf V GTI, 280 Nm ab 1.800 U/min, 200 PS 5.000 – 6000 U/min
  • Honda Civic Type R FN2, 193 Nm bei 5.600 U/min, 201 PS bei 7.800 U/min

Laut diesen technischen Daten, müsste der GTI Kreise um den Type R fahren. Die Realität sieht jedoch anders aus, was unter andem an der Getriebeübersetzung liegt. Der Civic Type R ist deutlich kürzer übersetzt, was bedeutet, dass bei gleicher Geschwindigkeit im gleichen Gang eine höhere Drehzahl anliegt. Das wiederum hat zur Folge, dass eine höhere Radzugkraft am Rad anliegt, welche den Wagen stärker beschleunigen lässt.

Vergleicht man beide Autos im Standardsprint 0 – 100 km/h, so siegt der Civic Type R mit 6,6 sekunden zu 7,2 (6,9 mit DSG). Hier wird bei beiden Autos eher die obere Hälfte des Drehzahlbandes genutzt. Ansonsten hat der GTI natürlich eine minimal bessere Elastizität, doch in der tatsächlichen Beschleunigung sind beide Autos in etwa gleich schnell.

Nun noch einige Vergleichswerte bzgl. der Elastizität 60 – 100 km/h um zu zeigen, wie sinnfrei dieser Wert ist, da man in der Regel mit jedem Auto schalten muss, wenn man schnell beschleunigen möchte – oder fahrt ihr im 5. Gang auf die Autobahn auf?

Elastizitätstabelle

AutoPSNm4. Gang5. Gang
Civic Type R2011936,8 s8,3 s
Golf V GTI DSG2002804,9 s7,0 s
Audi S3 Sportback2653506,1 s8,6 s
Audi A5 3,0 TDI2405006,6 s10,2 s
Porsche 911 Carrera 4S3554005,7 s7,4 s
Hier wird der Golf V GTI mit DSG angegeben. Dieser hat ein kürzer übersetztes Getriebe als der GTI als Handschalter und somit eine bessere Beschleunigung.
Quelle : „Alles Auto“ aus Österreich bei dem bei über 150 Autos die Elastizität gemessen wurde.

Wir sehen, dass der Golf GTI im 5. Gang sogar schneller als ein Porsche von 60 auf 100 km/h beschleunigt – auch ein „bärenstarker“ A5 TDI ist komplett chancenlos im 5. Gang, auch wenn er 500 Nm Drehmoment leistet, doch aufgrund der Übersetzung, kann dieses Drehmoment nicht immer abgerufen werden. Den genauen Unterschied zwischen PS und Nm, sowie ob PS oder Nm wichtiger sind, könnt ihr ebenfalls auf dieser Seite nachlesen.

Ein interessantes Beispiel habe ich auch noch bei Grip gesehen. Im Video wird ein Toyota Supra GR mit einem Porsche 718 Cayman S verglichen. Der Porsche hat 10 PS mehr (350 zu 340 PS) aber dafür 80 Nm weniger (420 zu 500 Nm) Drehmoment. Auch hier ist das Auto mit weniger Drehmoment und ähnlich viel PS schneller. Fairerweise kenne ich die Getriebeübersetzung nicht, weiß aber dass der Porsche über ein 7-Gang DSG und der Toyota ein 8-Gang Automatikgetriebe verfügt.

Mein Fazit

Daher möchte ich festhalten, dass die Elastizitätswerte in einem bestimmten Gang lediglich Daten sind, die man vergleichen kann; der Vergleich aber nichts über das tatsächliche Beschleunigungspotenzial eines Autos aussagt – oder glaubt jemand wirklich, dass ein Golf 5 GTI schneller als ein Porsche 911er ist?

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