Hypermiling – Umweltschutz oder gefährlicher Sport?

Man liest mittlerweile immer mehr vom Hypermiling. Fahrzeuge werden modifiziert, nicht selten 2.000 km mit einer Tankfüllung das Ziel, 3 liter Verbrauch, Windschatten wird genutzt, das letzte wird aus dem Auto herausgeholt.

Hypermiling: Wie weit komme ich mit einer Tankfüllung? Wie niedrig ist mein Durchschnittsverbrauch?

Was bedeutet Hypermiling

Unter Hypermiling versteht man den Versuch eine möglichst lange Distanz mit nur einer Tankfüllung zu fahren. Der Begriff ist durch die englische Sprache geprägt, wobei Hyper für etwas „Besonderes/Großes“ steht. Das „Miling“ beschreibt eine Zurücklegung der Distanz, da diese in den USA und England in Meilen (miles) gemessen werden.

Wie funktioniert Hypermiling?

Zunächst wird ein Fahrzeug gewählt und über den Rand des üblichen Tanks hinaus getankt. In einigen YouTube-Videos wird gezeigt, dass sogar bis zum Einfüllstutzen aufgefüllt wird um möglichst viel Benzin oder Diesel zu tanken und dementsprechend möglichst weit mit einer Tankfüllung fahren zu können.

Anschließend wird der Reifendruck erhöht – nicht selten um 0,3 bis 0,5 bar über dem erlaubten Grenzwert des Reifens. Der höhere Reifendruck sorgt durch die verringerte Lauffläche nämlich für einen geringeren Rollwiderstand und ein niedrigerer Rollwiderstand bedeutet einen geringeren Verbrauch. Was häufig verschwiegen wird, ist die damit einhergehend reduzierte Verkehrssicherheit. Dieser häufig deutlich überhöhte Luftdruck – vorallem, da ein leicht erhöhter Luftdruck nur bei voller Beladung zulässig ist – sorgt gleichzeitig für einen längeren Bremsweg. Dieser längere Bremsweg entscheidet bei einer Notbremsung ob es zu einem Unfall kommt oder nicht. Wie lang ein Brems- oder Anhalteweg bei bestimmten Geschwindigkeiten ist, könnt ihr auf dieser Seite mit dem Bremsweg-Rechner berechnen lassen.

Auch die Nutzung eines Windschattens ist weit verbreitet. Dabei wird nach einem LKW ausschaugehalten um sich ihm zu nähern und dann im gleichen Tempo hinter ihm zu fahren. Dabei nutzt man aus, dass der LKW die Luft während der Fahrt „verdrängt“, wodurch hinter dem LKW ein Raum entsteht, in dem weniger Luftwiderstand herrscht. Bei Tempo 85 hat man einen Bremsweg von gut 25 m und einen Anhalteweg von ca. 50 m. Sollte der LKW unerwartet bremsen und man hält 10 – 15 m Abstand, so könnt ihr euch selbst ausrechnen, wo das Hypermiling endet. Hier kann mir niemand erzählen, dass er …
… 1. vorausschauend fährt (ich kann nicht durch einen LKW hindurchschauen und sehen, was vor ihm passiert)
… 2. eine bessere Reaktion als andere Menschen hat und es ihm daher nicht passieren kann
… 3. bei deutlich erhöhtem Reifendruck, der nur für voll beladene Autos geeignet ist, einen verkürzten Bremsweg hat
Damit würde man sowohl biologische und physikalische Gesetze aushebeln als auch wahrscheinlich mindestens einen Nobelpreis erhalten.

Wer noch die letzen Zehntel an Sprit einsparen möchte, wechselt bei der Bereifung auf zugelassene schmale Leichtlaufreifen, die auf einer kleineren Felge montiert werden. Aufgrund der kleineren Felge (z. B. 16 anstatt 18 Zoll) kann ein schmalerer Reifen mit größerer Flanke genutzt werden.

Selbsternannte Experten kleben zusätzlich noch einige Lufteinlässe oder Fugen/Spaltmaße ab um den Luftstrom zu verbessern – wie gut dieser ist, findet ihr auch auf dieser Seite in der cw-Wert-Tabelle. Bei modernen Autos, kann durch diese Maßnahme der cw-Wert um ca. 0,01 bis 0,03 verbessert werden, doch wird hier häufig außer acht gelassen, warum die Ingenieure an genau dieser Stelle die Lufteinlässe haben konzipieren lassen. Diese Lufteinlässe dienen der Kühlung von Bauteilen wie z. B. dem Ladeluftkühler, der Bremse etc. Gleichzeitig sorgen sie für eine gewisse Zirkulation der Luft, die dafür sorgt, dass sich der Motorraum nicht zu sehr aufheizt. Viele Hypermiler sind sich dessen nicht bewusst oder behaupten, der Motor würde problemlos damit klarkommen, da sie selten schneller als 100 km/h fahren und der Motor keine hohen Drehzahlen mit großer termischer Belastung ausgesetzt ist. Recht haben sie mit der Behauptung, dass der Motor nicht so stark belastet wird, trotzdem heizt sich bei solchen Maßnahmen der Motorraum immer mehr auf und der Motor/Turbo saugt zu warme Motorluft an – dies sorgt für eine suboptimale Verbrennung bzw. eine ständige Anpassung des Gemisches um ein optimales Verbrennungsergebnis zu erzielen. Dies kann außerdem zur Folge haben, dass der Motor in einen Schutzlauf-Programm geschaltet wird, bei dem nur eine bestimmte Leistung freigegeben wird, auch wenn die volle Leistung abgerufen werden soll. Dies kann getopt werden, wenn das Steuergerät den Motor tatsächlich in ein Notlaufprogramm schickt. In diesem fährt das Auto meistens nur bis ca. 80 km/h, dreht maximal 2.000 bis 3.000 Umdrehungen pro Minute und wird häufig durch viele leuchtende Signale im Cockpit/Display dargestellt, die an Las Vegas erinnern. Solche Videos werdet ihr natürlich nicht einfach so im Netz finden – wer möchte denn sowas peinliches posten?

Anbauteile wie Spoiler, Diffusoren, weitere Dach-Heck-Elemente oder die Entfernung von Spiegeln sind weitere Maßnahmen die auch schon mal ergriffen werden. Das Ergebnis sieht manchmal ganz schön kurios aus und zeigt direkt, warum sich die Designer dagegen entschieden haben. Würde die Form der Funktionalität folgen, würden die meisten Autos wie ein tropfenförmiger Einheitsbrei aussehen, der Passagieren auf der Rücksitzbank wenig Komfort bieten würde oder die Autos wären zu groß für unsere Straßen.

Da die Fahrten häufig länger als 10, 12 oder 14 Stunden dauern, wird die Nahrungsaufnahme häufig während der Fahrt vollzogen. Hier reicht die Pallette von selbstgemachten Schnittchen über Durchfahrten der amerikanischen Burgerkette der „goldenen Schwalbe“ bis hin zur Flüßignahrung durch Shakes bzw. sättigenden Nahrungsergänzungsmitteln. Letztere werden dann häufig auf YouTube bepriesen und sponsorn die Hypermiler. Wie gesund so eine Ernährung ist, darf sich jeder selbst beantworten, jedoch gehe ich davon aus, dass diese Ernährungsweise sowie das Hypermiling nicht zum Alltag gehören.



Hypermiling Rekorde

Ich bin ein großer Fan von Rekorden, doch leider findet man wenig Offizielles zu diesem Thema.
Natürlich gibt es da auch bestätigte Rekorde, wie den vom Tesla Model S. Der Tesla wurde auf einer Rundstrecke am Lausitzring mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 38 km/h gefahren und erreichte rein elektrisch 1.128 km mit einer Tankfüllung.

Tesla Model S – 1.128 km mit nur einer Aufladung sind möglich – vorausgesetzt man bewegt sich gleichmäßig mit durchschnittlich 38 km/h – wer will und macht das schon?

Beachtlich finde ich den europäischen Rekord von Felix Egolf – ja, der gute Herr heißt tatsächlich Egolf mit Nachnamen. Dieser fuhr mit einem Serienauto von den Alpen bis zur Nordsee und zurück: 2.111 km ohne zu tanken. Das Rekordauto war ein Opel Insignia 1.6 CDTI mit 136 PS und einem 70 liter Tank, mit dem der Durchschnittsverbrauch sagenhafte 3,46 l auf 100 km betrug. Egolfs Rekordverbrauch ist dieser aber nicht, denn den erreichte er mit einem VW Polo mit 2,94 litern auf 100km.
Die Rekorde vom Hypermiler Egolf wurden auf öffentlichen Straßen gefahren und nicht auf abgesperrter Strecke. Es gab diverse Straßenbeläge, 1.000 m Höhenunterschiede, Ampeln, wechselnde Verkehrssituationen usw., was einen tatsächlichen Vergleich mit einer abgesperrten Rundstrecke erschwert.

Den Rekord für das Hypermiling in einem Serien-Dieselfahrzeug hält hingegen seit 2012 das Ehepaar Taylor aus den USA. Dieses fuhr mit einem VW Passat, der ebenfalls über einen 70 liter Tank verfügt, 2.615 km mit nur einer Tankfüllung. Dabei verbrauchten die amerikanischen Hypermiler im Schnitt sagenhafte 2,8 l/100 km.
Dies ist aber nicht der Rekord für den geringsten Durchschnittsverbrauch. Diesen Rekord beansprucht ein Peugeot 208 BlueHDi 100 für sich. Dies gelang dem Franzosen auf einer Teststrecke im französischen Belchamp. Dabei fuhr der Kleinwagen ganze 2.152 km mit einer Tankfüllung und verbrauchte im Durchschnitt aufgerundete 2,0 liter Diesel – korrekt entspräche es 1,9981 l. Zwar verbraucht der Peugeot 208 bei diesem Versuch weniger, doch der kleinere Tank verringert die Reichweite des Sparzwerges.

Ein Peugeot 208 erklimmt nicht nur so manchen Berg, sondern auch den Thron des geringsten Verbrauches für einen Dieselmotor im Serienauto.

Hypermiling Fazit

Das Hypermiling an sich ist ein zweischneidiges Schwert. Zum Einen wird so gefahren, dass ein Fahrzeug möglichst wenig verbraucht, was an sich ja eine gute Sache ist und einen nachhaltigen Umgang mit dem Kraftstoff suggeriert. Zum Anderen wird in den meisten Fällen einfach nur Treibstoff verfahren. Die Hypermiling-Fahrten sind normalerweise keine Fahrten in den Urlaub oder fallen in den täglichen Gebrauch. Ganz im Gegenteil. Die meisten Hypermiling-Fahrten sind vorher recherchierte Strecken, die von A nach B und wieder zurück führen nur um zu prüfen, wie wenig ein Auto verbrauchen bzw. wie weit es mit einer Tankfüllung fahren kann. Man könnte also sagen, es wird sinnlos Treibstoff verfahren. Hier bin ich aber kein Schwarz-Weiss-Denker und interpretiere es als Sport bei dem sich Mensch und Maschine miteinander messen. Doch auch beim Sport sollte man Rücksicht auf Andere nehmen und sicherheitsrelevante Faktoren (zur Erinnerung: Reifen und Bremsweg) ernst nehmen.

Wie weit kommt ihr denn mit einer Tankfüllung? Schreibt es gerne in die Kommentare! 😉



5 Antworten auf „Hypermiling – Umweltschutz oder gefährlicher Sport?“

  1. Es stimmt: Überoptimieren kann gefährlich sein, das ist auch beim Hypermiling so. Deshalb habe ich wohl auch keine Weltrekorde erzielt… Auch das Recherchieren einer Strecke ist für mich tabu (es sei denn es geht um eine I-Net Recherche betreffend Pass- und Strassensperrungen in alpinem Gelände). Resultat: in bekanntem Terrain fährt man einen Tick sparsamer. Für mich sind alltägliche Fahrten immer ‚Trainingsfahrten‘, d.h. ich fahre meist die kürzeste und ökonomischste Strecke und vermeide möglichst Staus. Ein sicherer Abstand (minimum 2″ oder 1/2 Tacho in m) zum Vordermann (sei es LKW oder PW) ist ein ‚must‘, ermöglicht frühzeitiges Reagieren oder Rollphasen und vermeidet unnötiges Bremsen.
    Interessant: Den Kaufpreis meines 9-jährigen Gebrauchtwagens (€ 6668.-) habe ich in weiteren 12 Jahren einzig durch die reduzierten Treibstoffkosten kompensiert.
    ‚Hypermilen‘ ist also auch ‚Hypersmilen‘. Kompliment: gute Webseite

  2. Schöne Webseite, vielen Dank dafür!

    Mit meinem Alltagsauto, ein Golf 2 von 1991, 69 PS, 43 l LPG Tank, schaffte ich einmal 660 km, bis das Gas verbraucht war und ich auf Benzin umschalten musste – und das alles an einem Tag! Das entspricht etwa 6,5 l LPG/100 km. Auf der Autobahn fuhr ich maximal 130 km/h laut Tacho, also etwa 120 km/h in echt. Staus, Landstraßen und Ortschaften waren auch in der Tour enthalten und es war ein sonniger Sommertag ohne Wind im Norddeutschen Flachland. Im Normalen Pendelbetrieb mit 100 km/h zur Arbeit liegt der Verbrauch eher bei 7 – 8 Litern, je nach Temperatur und Wind, auch schwer in Ordnung bei einem Literpreis von 0,75 € 🙂

  3. Hallo,
    interessanter Artikel. Ich muss zugeben das es sich ehr so anhörte wie eine „hass Tirade“ über Hypermiling. Aber ich gebe dir recht, es darf nicht soweit kommen das man sein Fahrzeug verkehrsgefährdend verändert. Wobei manche Sachen sicher ins extrem gezogen wurden. Ich habe vor 15 Jahren mal für eine weile im Ausland gearbeitet und einen Heimweg von 760km gehabt. Da habe ich meinen Passat Kombi mit 1,9l TDI durchaus mit unter 4l gefahren. Da war der Tank dann noch halb voll am Heimat Ort. Und das hat ohne Modifikationen geklappt. Immer hinter dem LKW. Natürlich mit nötigen Sicherheitsabstand!

    Beste Grüße

    1. Hallo Björn,
      der Text ist bewusst provokant geschrieben, doch eine Hasstirade sollte es nie werden. Ich halte es für verantwortungslos, wenn man auf YouTube viele unüberlegte Handlungen und vorallem Verkehrsgefährdungen sieht.
      Je nach Auto dufte ich auch eine 3 vor dem Komma genießen, aber mit Fahrspaß hat es dann recht wenig zu tun. Wie beschrieben ist es dann doch eher ein Wettbewerb, der sehr viel mit Disziplin zu tun hat. Daher bin ich auch mit Hypermilern in Kontakt und wir schauen mal, was man sich noch schönes ausdenken kann.

      Viele Grüße vom Automobil-Guru

  4. Hallo,

    Ohne vorher etwas über Hypermiling zu wissen fahre ich schon seit Jahren, je nach Spritpreislage sparsam.

    Derzeit sind im Alltag mi einem Passat Variant B8 BJ 2016 TDI und 150 PS Realverbräuche von 4,1 l und damit ca. 1600 km mit einer Tankfüllung möglich. Dabei sind Überland-, Stadt- und Autobahnfahrten sowie natürlich mehrere Kaltstarts.
    Mit einem A3 150PS TDI BJ 2018 sind auch Realverbräuche von 3,8 l drin. Da muss man noch nicht mal Hyperiling betreiben sondern nur ruhig fahren und die Rolleigenschaften ausnutzen. Die Höchstgeschwindigkeit sollten auch nicht über 100 km/h liegen… man kann jedenfalls bei jedem Auto mit der Änderung der Fahrweise locker 0,5-1,5 l pro 100 km einsparen.

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